Sonntag, 21. Juli 2019
Wie gut, dass ich gestern Abend Fiete II noch reisefertig gemacht habe. Ich bin noch sooo satt vom Abendessen, dass ich das Frühstück ausfallen lasse, aber an der Bar zwei Cornettos für später hole. Meine neapolitanischen Nachbarn schlafen noch. Kann mich also nicht verabschieden. Schade.
Nach der Dusche erwartet mich eine Überraschung. Genau gegenüber richtet sich ein neu angekommenes Wohnmobil ein. Prima, jetzt kann ich herummanövrieren, bis ich mit Fiete II von meinem Stellplatz rauskomme! – Ich fahre die 500 Meter bis zur Rezeption, entlade meine Geldkarte, checke aus und bringe den gesammelten Müll weg. Später – in Lecce – fällt mir auf, dass ich meine Campingcard nicht zurückbekommen habe! Die Apulier sind an den Rezis ziemlich unsortiert. Hoffe, ich bekomme sie zugeschickt.
In Lecce parke ich für 10 € !!!!! 1. weil Fiete II ein Camper ist, 2. weil er hier sicher steht und 3. weil die Altstadt nur einen Katzensprung entfernt ist. Es hat nämlich schon an die 30 Grad und von einem Lüftchen ist null-komma-nix zu spüren. Die Parkaufsicht hat mir aus heiterem Himmel noch 2 € erlassen.
Durch eines der drei erhaltenen Stadttore komme ich ins Centro Storico. Unverkennbar, denn hier ist alles, was Fenster und Türen oder Tore hat aus honigfarbenen Kalkstein, Pietra Leccese genannt, an dessen weichem Material sich die damaligen Baumeister regelrecht berauscht haben. Das hat Lecce den Beinamen ‚Perle des apulischen Barock‘ eingebracht. Ich stelle fest, dass ich mich unmittelbar auf der Flaniermeile mit zahlreichen Kleinkünstlern und Souvenierläden befinde. Touris hat es wenige, aber es ist auch erst halbelf.
Zunächst schlendere ich, dann schleppe ich mich in der Knallsonne durch die Altstadtgassen, vorbei an einigen der mehr als 30 Kirchen, an unzähligen Palazzi und komme am Piazza del Duomo an, dem Prunkstück der Stadt. Ich bin nicht so begeistert, wie die Reiseführer schwärmen, viele der barocken Verzierungen sind angefressen, werden nicht restauriert oder sind schwarz. Ja richtig, ich sehe überall verschnörkelte Details und auf den zweiten Blick ist es schon eine außergewöhnliche Altstadt, aber in Begeisterung breche ich nicht aus. Vielleicht ist es auch der Hitze und der Punkt 12 Uhr einsetzenden Tourigruppen zu schulden.
Am Porta Napoli mache ich eine kurze Pause, gehe dann zum ersten Mal ‚Burrata‘, einen mit Sahne gefüllten Mozzarella, essen und genehmige mir einen Weißwein aus Locorotondo. Nicht schlecht, aber auch nicht überragend. Auf dem zweiten Rundgang entdecke ich einige Palazzi, die restauriert werden, so auch die Römische Säule mit dem Stadtpatron, die neben dem teilweise freigelegten römischen Anfiteatro steht. Für das Castell von Kaiser Karl V. fehlt mir die Muße. Hätte mich wieder 500 Meter gekostet. Es ist brütend heiß zwischen all den Kalksteinmauern.
Zurück bei Fiete II helfe ich einem französischen Paar, einen Stellplatz zu finden. Für mich stellt sich auch die Frage, wo übernachten. Ich entscheide mich für die ionische Meerseite des Stiefelabsatzes, was für die kommenden Tage den Vorteil bietet, meerseitig zu fahren und besser den einen oder anderen Parkplatz anzusteuern. Und wieder fahre ich durch abgestorbene Olivenhaine, teilweise total abgeholzt, Wie traurig!
In Porto Cesário will ich die Empfehlung aus dem Reiseführer nehmen, die aber beim besten Willen und viel Hin und Her nicht zu finden ist. Dafür führt mich die Stellplatz-App von Promobil auf einen stadtnahen Agricamping ‚Le Radici‘ mit nur 30 Plätzen und Ölverkauf. Ein wunderbares Areal, netter Empfang – wir sprechen deutsch, französisch und italienisch – aber…… wieder teuer. Bleibe, weil ich mal meine Ruhe brauche, weil ich mit dem Rad zum Hafen von Porto Cesário fahren kann und weil es hier die besten Fischgerichte gibt.
Ich habe einen eigenen Olivenbaum auf meinem Stellplatz unter Schatten spendenden Matten, eine kostenfreie Dusche, so lange, wie ich will, Strom und Wasser direkt neben mir und einen wunderbaren Park vor mir. Ich chille bei einer Tasse Kaffee und meinem Cornetto. Dann fragt Marcello, wann er mich zum Strand shutteln soll. Und das tue ich mir dann noch an. Das Meer lockt.
Es erwarten mich tausende von italienischen Badegästen, mit tausenden von Sonnenschirmen und Strandstühlen, die bis ins Wasser der Bucht hineinreichen. Dazu eine lärmende Hämmer-Bar. Das alles habe ich im Bild festhalten müssen! Unglaublich! Marcello meint später, morgen, am Montag, sei alles nur noch halb so schlimm.
Ich genieße den Abend mit einem funktionierenden W-Lan, kann endlich mal Nachrichten lesen und muss nicht zu irgendeinem Internet-Pont laufen. Bleibe noch eine zweite Nacht, weil es mir auf dem Campeggio mit 12 weiteren Womos sehr gut gefällt. Beginne bei eins, zwei, drei Limoncelli mit einer Grobplanung für die Umrundung des Stiefelabsatzes und habe plötzlich schon die Rückreise im Hinterkopf.
Es ist sternenklar, 20 Grad draußen und himmlich ruhig. Gut’s Nächtle!