Tag 5 – 27. April 2022
Heute habe ich aus Protest so lange geschlafen, bis der Regen aufgehört hat und die Sonne kurzzeitig zwischen den Wolken hervorgekommen ist. Geht doch!
Zum Duschen brauche ich gleich mehrere Anläufe – bin ich doch hier auf dem angeblich besten und deshalb teuersten Platz im Nirwana!!!!! Der Sarkasmus lässt grüßen! Ich finde kaltes Wasser im Hauptwaschhaus vor und sehr heißes, unregulierbares im oberen, dafür nur mit einer mäkeligen Handbrause. Ich will mich nachher beschweren, habe aber noch keine Nacht drüber geschlafen und das geht dann meist nicht gut aus!
Nach einem frustigen Frühstück starte ich zur Autobahn und blicke auf der Fahrt zum Runterkommen auf spektakuläre Orte und Strände. Weil es keine Raststätten gibt – sorry, ich sage lieber Raststellen -, kann ich bedauerlicherweise keine Fotos machen.
Dafür ist der Verkehr recht angenehm, kaum Lastwagen, aber der Radioempfang ist plötzlich offline. Es gibt Schlimmeres, wenn ich an heute Morgen denke. Ich sag‘s ja, schweizerisches Präzisionsprodukt!!!! Übersetzt heißt das in diesem Fall ‚Scheiße‘. Und im gleichen Atemzug bemerke ich, dass das Reifendrucksymbol im Display verschwunden ist. Es bleibt beim Auf und ab. Geht doch!
In Santiago de Compostella angekommen, fahre ich nach dem Tanken direkt zum Camperpark „Lavacolla“ an der N634 in San Marcos, 6 km vom Symbol der Stadt, der Kathedrale in Santiago entfernt.
In der Hauptstadt Galiciens, seit 830 Wallfahrts-Ort, treffen jährlich rund 200.000 Pilger ein und die Jakobsmuschel ist das Pilgerzeichen schlechthin. Ich telefoniere mit dem Besitzer – er ist nicht wie angegeben auf dem Platz – und lasse mir erklären, wie und wo ich mit welchem Bus in die Stadt komme. Ich müsse nur 400 Meter zur Haltestelle laufen, meint er..
Da es nur EIN Haltestellenhäuschen gibt, frage ich mich im Restaurant nebenan schlau, und stelle fest, selbst die Einheimischen kennen sich nicht aus hier. Zu viert – einschließlich des Küchenchefs – versuchen wir die Lage vor Ort zu klären, mit dem Ergebnis, dass es für die Hin- und Rückfahrten nur ein einziges Häuschen geben muss. Geht doch!
Der Bus braucht knappe 20 Minuten und einen kurzen Fußweg und ich stehe mitten auf dem „Plaza del Obradoiro“, DEM Ziel eines jeden Pilgers. Die Kathedrale ist eines der beteutendsten Kirchenhäuser der Welt und der Beginn oder das Ende des Jakobsweges Außerdem ist sie die Grabkirche des Apostels Jacobus.
Ich hab‘s mir hier voller auf dem Platz davor vorgestellt, vernehme aber sehr wohl die klappernden Jakobsmuscheln an den Rucksäcken und Hälsen. Die Kathedrale ist spektakulär und hat einen unvorstellbar prachtvollen Hochaltar im Mittelschiff. Der übertrifft alle meine Erwartungen.
Es herrscht ein ganz eigenes Flair auf dem Platz, glückliche, übermüdete Menschen von jung bis alt, schwere Rucksäcke liegen herum, die Wanderschuhe lüften aus, Wiedersehensfreude von Mitpilgern und die Blicke der Pilger und Pilgerinnen verneigen sich vor der legendären Kathedrale – im Sitzen, im Liegen, im Stehen, im Laufen. Es herrscht ein permanentes Herumgewusel unter den Camino-Leuten.
Ich schlendere noch durch die Seitengassen der Altstadt, die zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Sie besticht durch ihre dunklen Steine. Ich finde ein nettes Café und mache ein Päuschen mit einem ersten spanischen Kaffee.
Auf dem Stelllplatz treffe ich den Besitzer jetzt an und wir quatschen eine halbe Stunde, bis es zu regnen beginnt. Schnell ab zu Fiete. Es regnet sich ein. Glück gehabt mit dem Wetter am Nachmittag. Geht doch!
DATEN
Start 26956
Ziel 27287
9,4Liter durchschn.
93 kmh
Strecke 330 km
Fahrzeit 3 ½ Stunden
Camperpark Lavacolla, San Marcos