Tag 11 – 3. Mai 2022
Die Sonne scheint und ich frühstücke auf meiner Womo-Terrasse. Fiete ist reisebereit und ich bin froh, dass mein Rad wieder sicher auf dem Hänger steht. Es ist sowas von gemütlich, dass ich relativ spät starte.
Ziel ist die Costa Verde im Nordwesten von Portugal. Costa Verde bedeutet Grüne Küste. Sie gehört noch zu den unberührten Landstrichen in Portugal, was ich u.a. auch daran merken werde, dass es fast nur einen einzigen Touri zu geben scheint – nämlich mich. Ich erwarte ausgedehnte goldgelbe Sandstrände, Wind und Wellen, eine üppige Natur und ein ganz besonderes landschaftliches Highlight, die Lagune Ria de Aveiro. Ich entdecke Flamingos, was mich dazu veranlasst mit der Warnblinkanlage auf der schnurgeraden Straße anzuhalten und Fotos zu machen.
Ich werde einige gesichtslose Badeorte anschauen, die ausschließlich im August zum Leben erweckt und rappelvoll werden. Sie sind zweckmäßig und haben dafür aber traumhafte kilometerlange Strände. Es wird eine Augenweide werden.
Ein moderner IC-Bahnhof, der nur wenige Gehminuten zum Strand liegt
Espinho – ein typischer Badeort – liegt 20 Kilometer südlich im Ballungsraum von Porto und ist der größte, bekannteste Ferienort an der Costa Verde und ist vor allem wegen seiner weiten Sandstrände und hervorragenden Fischlokale bekannt. Empfangen werde ich von einer Großbaustelle, die Google Maps völlig überfordert und mich auch. Ich schließe das Naviprogramm und setze mein Hirn ein.
Das hilft, ich finde das Zentrum, aber kaum einen Einwohner geschweige denn einen Touri. Es ist ziemlich windig, das Meer ist rauh, so wie ich es liebe, und natürlich mache ich sofort einen Strandspaziergang. Wie es aussieht, ist der 17 km lange goldfarbene Strand das Kapital des Ortes. Er war wiederholt Austragungsort von Beachvolleyball-Turnieren und 2015 sogar von der Beachsoccer-Weltmeisterschaft ist. Kaum vorstellbar für mich.
Ich finde eine geöffnete Pastelaria und genehmige mir zwei der leckeren „Pastei de Nata“, die sagenhaften weltweit bekannten Blätterteigtörtchen mit Puddingfüllung. Das Rezept wurde von Mönchen im 19. Jahrhundert in Belem/Lissabon erfunden.
Traumstrände bei Fouradouro
Und das stimmt. Die goldgelben, kilometerlangen Traumstrände sind im Hinterland von dichtem Pinienwald umgeben. Aber da muss man erstmal hinkommen. Dank Google Maps werde ich über eine schmale Holperstraße mitten durch die Kiefernwälder geschickt. Gibt es hier Autos und Menschen, frage ich mich, während meine ganze Konzentration auf dem Sträßchen liegt. Die Wurzeln haben den Asphalt brüchig gemacht und die Straßendecke angehoben, so dass Schlangenlinienfahren angesagt ist. Von Gegenverkehr keine Spur, was ich in diesem Fall sehr begrüße. Und endlich sind Dünen und Sand satt in Sicht.
Es herrscht eine starke Brandung. Vom großen internationalen Tourismus wurde Fouradouro bisher weitgehend übersehen, was dieses Fleckchen sehr sympathisch macht. Jedenfalls außerhalb der Bademonate Juli und August.
Beim Einkaufen entdecke ich riesige Mengen luftgetrockneten Stockfischs an der Fischtheke. Kein Wunder, der gesalzene und getrocknete Kabeljau – „Bacalhau“ – ist eines der Nationalgerichte der Portugiesen. Es soll tausend Rezepte für diesen schmackhaften Fisch geben. Naja, die Portugiesen übertreiben ziemlich, denke ich.
Ich genieße meinen Strandspaziergang und den hier besonders wilden Atlantik, es ist traumhaft schön. Die Dünen liegen ruhig hinter dem Strand und die Weite des Meeres spüre ich hier besonders intensiv. Als ich Fiete zum nächsten Stopp starten will, kommt in diesem Moment „Fietes Zwillingsbruder aus Münster“ angefahren. Und wir werden uns noch öfter in diesen Wochen begegnen!
Ovar – die Museumsstadt der Azulejos
Ich reiße mich los von Strand und Meer und fahre nach Ovar, der „Museumsstadt der Azulejos“. Und den Beinamen hat das Städtchen zu Recht, denn fast jede Hausfassade ist gekachelt. Die Azulejos sind eine Hinterlassenschaft der Mauren, die ab dem 8. Jhd. weite Teile des Landes beherrschten. Ich entdecke auf meinem Rundgang die kleine mittelalterliche Kapelle „Capela de Sao Miguel“, deren weißblaue Kacheln schon seit 1517!!!!! an den Wänden kleben. Sie ist im Privatbesitz und daher geschlossen.
Ovar werde ich auch sonst wohl so schnell nicht vergessen.
Denn ich verbringe fast eine Stunde in einer der modernsten Apotheken, um an ein für mich wichtiges Medikament zu kommen, da ich dieses zu Hause verwechselt und deshalb für die kommenden Wochen nicht dabei habe. Mit gutem Willen, meiner Arztpraxis und viel Geduld verlasse ich sehr happy mit meinem Medikament die Apotheke. Das ist ein kleines Gläschen Wein wert.
Bunte Moliceiros im Hafen von Torreira
Torreira liegt inmitten von Dünen auf einer schmalen Landzunge zwischen dem atlantischen Ozean und der Lagune Ria de Aveiro. Ich treffe auf ein friedliches, abgeschiedenes und menschenleeres Fischerdorf. Im Hafen liegen dutzende, traditionelle Algenfischerboote, die bunten Moliceiros. Es sind fröhlich angemalte Boote, mit denen die Fischer früher Seetang und Algen gefischt haben. Sie sind extrem flach gebaut und relativ breit. Da heute allerdings niemand mehr den Seetang zum Füttern der Tiere braucht, fahren diese wunderschönen Boote Touristen durch Aveiro. Ich genieße begeistert dieses farbenfrohe Bild bei tollen Lichtverhältnissen und malerischem Himmel.
Die 45 Kilometer lange Lagune von Avairo „Ria de Aveiro“, ist eine Wasserlandschaft aus Brackwasser. Ebbe und Flut des Atlantik versorgen das Gebiet mit frischem Salzwasser welches sich mit dem Süßwasser der Lagune mischt. Ein Paradies für Wanderer, Radler, Fischer und allerlei Vögel. Es wird Meersalz gewonnen, was an den Salinen am Ortsrand von Aveiro zu erkennen ist. Dazu morgen mehr.
Gebummelt und außergewöhnliche Menschen getroffen
Ich habe gebummelt, mir viel Zeit gelassen, denn am Meer fühle ich mich besonders wohl. Ich liebe die Weite, das Rauschen der Wellen und die salzhaltige Luft.
Deshalb entschließe ich mich, auf dem idyllisch gelegenen Campingplatz ‚Camping Torreira‘ zu übernachten. Empfangen werde ich sehr freundlich von einem Deutsch-Kanadier. Ein älteres Ehepaar sitzt an der Rezi in der Sonne und wir kommen sofort in‘s Gespräch. Sie sind seit Ende März ab Madrid mit dem Rad unterwegs und leben bewusst sehr spartanisch. Respekt, vor allem, weil er einen künstlichen Unterschenkel hat.
Ich denke in diesem Moment an viele Freunde und Bekannte von mir, bei denen es immer eine perfekte Unterkunft sein muss, mehrere Cafés in der Nähe hat und keine körperliche Anstrengung notwendig ist.
Vermutlich gibt es gerade einen herrlichen Sonnenuntergang. Der Himmel über dem Platz hat sich in ein wunderschönes Abendrot verfärbt. Ein würdiger Abschluss für wieder einen fantastischen Tag.
Daten
70 km Strecke
10,6 liter
30 kmh
Start 27.820
Ziel 27.890 km
2 ¼ Stunden Fahrzeit
Camping: Camping Torreira