Tag 12 – 4. Mai 2022
Ich starte bei herrlichem Wetter zum Praia da Torreira.
Google Maps wählt eigenständig eine Abkürzung und schickt mich durch die Pampa. Es geht eine unendlich lange Zeit durch Pinienwälder auf kerzengeraden Straßen, deren Asphaltdecken durch Wurzeln aufgerissen sind. Ich halte den Atem an, dass der Radträger nebst Rad diese Holperstrecke übersteht.
Der Praia da Torreira liegt inmitten von Dünen auf der Nehrung zwischen dem Haff von Aveiro und dem atlantischen Ozean.
Endlich angekommen genieße ich einen langen Strandspaziergang – nach Angaben der Reiseliteratur einer der schönsten Strände im Nordwesten. Dem stimme ich hundertprozentig zu. Ein Strand, der mir beim ersten Anblick die Sprache verschlägt.
Sich selbst nicht so wichtig nehmen
Ich wundere mich immer wieder, was das Faszinierende an Meer, Strand, Sand, Salzluft und Dünen ist und warum ich mich so sehr davon angezogen fühle. Liegt es an dem speziellen blau-grün-türkisfarbenen Lichtwellenspektrum oder daran, dass alle fünf Sinne gefordert sind:
- Ich kann das Meer riechen und den salzigen Geruch in der Luft wahrnehmen.
- Ich kann es schmecken, wenn ich bade oder köstlichen Fisch esse.
- Ich kann bis zum Horizont sehen und fühle Unendlichkeit.
- Ich kann den Sand zwischen meinen Zehen spüren und die ausrollenden Wellen, wenn sie meine Füße umspülen.
- Ich kann das Meeresrauschen hören, das vergleichbar mit Meditationsmusik ist.
Meine Gefühle sind eine Mischung aus Vielem, aus beruhigt sein, sich winzig fühlen im Angesicht der Naturgewalten, dem Blick in Weite und Tiefe, von Unberechenbarkeit, ja Einsamkeit, und dem Gefühl, dass Sorgen am Meer plötzlich ganz klein sind. Alles zusammen genommen fühlt sich richtig an und macht es mir jedes Mal schwer, mich davon zu trennen.
Eine bunte Lagunenstadt an der Ria de Aveiro
Ich fahre entspannt nach Aveiro, parke neben einer Saline und staune, wie viele 10- Kilo-Salz-Säcke hier auf Schultern abgeschleppt werden.
Das Städtchen liegt an der von den Gezeiten gespeisten Lagune ‚Ria de Aveiro, dem größten Feuchtgebiert Nordportugals. Eine Landschaft zwischen Land und Meer, Stränden und Sümpfen, Süß- und Brackwasser.
Das Besondere an der Lagunenstadt sind die Kanäle mit ihren farbenfrohen Algenfischer-Booten, den ‚Barcos Moliceiros‘, die früher zur Seetangernte genutzt wurden. Touristikunternehmen werben gerne mit dem Synonym „das Venedig Portugals“. Natürlich ist das maßlos übertrieben und weckt bei Manchen große Erwartungen. Rund um den Hauptkanal, wo das Touri-Treiben seinen Höhepunkt hat, stehen schöne Jugendstilhäuser „Arte Nova“.
Ich entschließe mich zuerst für die Bootsfahrt. Die gondelähnlichen Schiffchen sind schmal und farbenfroh, die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Bildmotive an Bug und Heck erinnern an historische Ereignisse. Wir fahren durch die Ponte Lacos de Amizade mit ihren bunten Liebes-Farbbändern – ähnlich unseren Schlössern – und durch die älteste Kanalbrücke, die Ponte de Carcavelos. Es herrscht reger Verkehr auf den vier Kanälen. Nach 45 Minuten erreichen wir wieder unseren „Hafen“ und erhalten zum Abschluss eine traumhafte lokale Spezialität, die Oves Moles. Nonnen haben das Rezept erfunden. Sie benötigten Eiweiß zum Stärken ihrer Häubchen und machten aus den Eigelben und Zucker diese süchtig machende Spezialität.
Ich streife nach der Bootstour durch das historische Zentrum, treffe auf ungewöhnliche Kirchen und freue mich über vollbesetzte Lokale an der Placa da Rossio. Auf dem Rückweg zu Fiete mache ich einen Abstecher zu den Salinen und beobachte die ‚Marnotos‘ (Salinenarbeiter) mit ihren Holzwerkzeugen bei der Arbeit. Die Salzgewinnung wird nur noch in kleinem Maße betrieben.
Größter Leuchtturm Portugals direkt am Traumstand
Das Ziel, was ich mir dann aus dem reichhaltigen Programm ausgesucht habe, ist der Praia da Barra. Malerische Holzstege verlaufen entlang des Dünenareals. Es ist stahlblauer Himmel, ziemlich kühl und starker Wind. Eine Jacke habe ich nicht dabei, Trotzdem entschließe ich mich, die 271 Stufen des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Leuchtturms Farol de Aveiro hinaufzuklettern. Er ist von den 48 aktiven Leuchttürmen der höchste Portugals und einer der größten in Europa. Der Besuch ist kostenlos.
Die Panoramablicke auf die Gegend sind umwerfend. Nicht nur wegen meiner Höhenangst, sondern besonders wegen des starken Windes, habe ich Angst, heruntergepustet zu werden. Ich klebe zum Fotografieren förmlich an der Wand des 62 Meter hohen Turms, und bin dabei nicht die Einzige. Für mich ist das Erlebnis mit dem ‚Gestreiften‘ einer der Highlights dieses Tages.
Farbenfrohe Fischerhütten als Touri-Magnet
Der nächste Küstenort – Costa Nova/Ilhavo – liegt auf einem langen Hügelwall, der das Haff nach außen abgrenzt. Bisher wurde das Fischerdorf von Besuchern kaum beachtet, gäbe es da nicht die umwerfende Kulisse der farbenfrohen ehemaligen Fischerhütten. Die Palheiros da Costa Nova säumen die zur Lagune gehörende Promenade und sind DAS Fotomotiv schlechthin. Ich bin damit beschäftigt, nur einen Teil der zahlreichen Touri-Motivjäger vor die Linse zu bekommen. Ganz ohne geht es nicht.
Ein Campingplatz nach meinem Geschmack
Ich entschließe mich in Mira auf dem Parque Municipal de Campisco zu übernachten. Der riesengroße Gemeindecamping hat alles, was ein Camperherz benötigt und liegt direkt hinter den Dünen und dem Strand.
Das Problem mit der Sat-Anlage beschäftigt mich nach wie vor, besonders weil bald wieder Freitag ist und das Halbfinale von Lets Dance ansteht. Nachdem ich gefühlte 20 Mal bei der Hotline des Herstellers angerufen habe, und angeblich immer alle Servicemitarbeiter im Gespräch waren, schreibe ich eine Email an den Support und bitte sehr bestimmt um einen Rückruf.
Ich verbringe einen gemütlichen Abend und reflektiere das Erlebte.
Daten
84,5 km Strecke
10,3 Lliter
36 kmh
Start 27.890 km
Ziel 27.975 km
2 ¼ Stunden Fahrzeit
Campingplatz: Parque Municipal de Campismo, Mira