Sonntag, 25. September 2022
Menno, heute ist schon unser letzter Tag in Wien.
Wahnsinn, wie die Zeit vergeht. Das Wetter könnte besser sein, aber es regnet nicht, wie die WetterApps uns glauben machen wollten.
Wir lassen den Tag auf uns zukommen und entscheiden step by step, was noch auf der Wunschliste steht.
120 Sorten Eis und eine nicht-blaue Donau
Wir fahren zunächst an die Donau im Bezirk Leopoldstadt. ‚Scheenes blaues Donau‘ ist der zweitlängste Fluss Europas – neben der Wolga. In der Antike trennte er das römische Reich von den sogenannten ‚Barbaren‘. Auf das Blau müssen wir verzichten Die grauen Wolken sind eins mit dem Wasser.
Eine Brücke führt über die Donauinsel zur denkmalgeschützten Kaiserjubiläumskirche, einem mächtigen Bauwerk jüngeren Datums. Weil es sonst nicht viel zu sehen gibt – übersetzt heißt das ‚hier ist tote Hose‘ – steuern wir erneut den Schwedenplatz an.
Birgit ist voll auf Eis und in der Eisdiele am Platz gibt es mehr als 120 Sorten! 🙂 Da fällt die Entscheidung mehr als schwer. In der ‚Manifattura del Gelato‘ gibt es seit mehr als 135 Jahren Eis und es soll seit einigen Jahren angeblich das beste Eis Wiens sein.
Weil am 30. September Schluss ist mit lustig, stehen zahlreiche Wiener mit mehr oder weniger großen Styropor-Boxen an, um die schmackhafte Eiszeit zu Hause noch ein wenig zu verlängern.
Wiens besondere Ampelpärchen
Unter anderem ist heute ‚Such-mich-mal-Tag‘ für die Ampelmännchen, die im Rahmen des ESC 2015 eingeführt wurden. Die homo- und heterosexuellen Pärchen haben bei den Wienern ein Stein im Brett und schafften es unter anderem in die New York Times, die BBC und die Washington Post. Die Begeisterung ist so groß, dass sie nicht nur permanent bleiben dürfen, sondern sich vervielfachen sollen. Da wir zu spät auf die besonderen Signallichter aufmerksam wurden, haben wir in Windeseile wenigstens drei entdeckt.
Goldiges im Wiener Stadtpark
Weiter geht es zum Wiener Stadtpark an der Ringstraße. Hier stehen zahlreiche Lieblingsdenkmäler der Einwohner und Touristen. Das meistfotografierte Motiv ist das vergoldete Johan-Strauß-Denkmal (Sohn).
Der 34 km lange Wienfluss aus dem Wienerwald dümpelt als spärliches Rinnsal vor sich hin und mündet später in den Donaukanal. 1956 gab es hier die sogenannten Sesselweiber, die für die aufgestellten Sitze mit Freude Gebühren verlangten. Wir passieren den eindrucksvollen Renaissancebau ‚Kur-Salon‘ von 1867, und die ‚Meierei‘, ein besonderes Café, was sonntags leider geschlossen ist.
Macht & Tod unter barocken Gewölben
Es hat ein bisschen zu nieseln angefangen. Genau das richtige Wetter, um uns die Kapuzinergruft am Neuen Markt anzusehen. Sie befindet sich unterhalb der Kapuzinerkirche und ist seit vier Jahrhunderten die Begräbnisstätte der Habsburger.150 Angehörige des ehemaligen österreichischen Herrscherhauses liegen hier in kunstvollen Sarkophagen, darunter 12 Kaiser und 19 Kaiserinnen und Königinnen. Wir haben mega viel Glück, weil nur heute eine ausführliche Besichtigung der Gruft angeboten wird. Ja kruzifix noamoil!
Die Zeit bis zum Beginn verbringen wir in unserem Lieblingskaffeehaus Hawelka. Ich bestelle wieder meine Wiener Mélange und dazu einen warmen himmlisch schmeckenden Topfenstrudel! Den werde ich zu Hause besonders vermissen. Die Mädels mélangen mit mir und laben sich an Apfel- und auch Topfenstrudel. 🙂 🙂
Punkt 14 Uhr steigen wir hinunter in das barocke Gewölbe zu den reich dekorierten, kunstvollen Sarkophagen. Uns ergreift ein erhabenes Gefühl in diesen sonderbaren Räumlichkeiten. Das Beeindruckendste ist der prachtvolle Doppelsarkophag des Kaiserpaars Maria Theresia und Franz I. Wir erfahren, dass die Toten in mit Samt ausgeschlagenen Holzsärgen und ohne Eingeweide und Herz in die prunkvollen Sarkophage gelegt wurden. Heiratspolitik machte aus Kindern Eheleute und aus fremden Fürstenhöfen Verbündete. Kinderreichtum – Maria Theresia hatte 16 – sorgte für den Erhalt der Dynastie und den frühen Tod der Frauen im Kindbett und der Neugeborenen. Allein schon deshalb empfinden wir die zahlreichen Kindersärge als sehr beklemmend.
Nach der kurzweiligen und informativen Zeitreise durch die Habsburger Geschichte haben wir noch Zeit bis zu unserer Reservierung im Griechen-Beisl, dass wir auf Empfehlung einer der beiden Hawelka-Söhne für unser Wiener Schnitzel ausgewählt haben.
Was ist eigentlich ein Beisl? Es handelt sich dabei um ein typisches Wiener Wirtshaus, bodenständig, gemütlich und gutbürgerlich.
May be Mozart?
Und jetzt kommen wir zu einem meiner Highlights, dem Besuch der Grabstätte Mozarts. Habe ich doch am selben Tag Geburtstag, wie das Musik-Genie und bin mit seiner Musik aufgewachsen. Mozart war der absolute Lieblingskomponist meiner Vaters.
Er liegt auf dem nicht weit entfernten St. Marxer Biedermeierfriedhof (1784), wo ein ganzes Jahrhundert begraben ist. Unter anderem auch der Erfinder der Nähmaschine. 🙂
Von den ehemals 8000 Gräbern sind noch 5635 erhalten. Es gibt nicht nur historische Grabsteine auf dem bewusst verwildert gehaltenen Friedhof, sondern auch niedliche tierische Bewohner, die Hamster. Wir sind froh, nicht auch noch Nattern und Blindschleichen zu begegnen, die sich zahlreich auf dem Friedhof verstecken und ziemlich wohl fühlen.
Mozarts vermutliche Grabstelle steht allein auf weiter Flur und ist die am meisten besuchte Grabstätte hier. Er wurde am 7. Dezember 1791, nachdem er in der Kruzifixkapelle am Stephansdom aufgebahrt war, in einem ‚einfachen allgemeinen Grab‘ (Schachtgrab) ohne Kreuz beigesetzt. Sein Denkmal steht an dem Platz, wo seine Überreste aller Wahrscheinlichkeit nach zu finden wären.
Hauptsache echtes Wiener Schnitzel
Jetzt ist die Zeit für unser Wiener Schnitzel gekommen.
Wer Wien liebt, speist seit 550 Jahren im ältesten Gasthaus der Stadt, dem Griechenbeisl. Daher auch die Empfehlung. Genau da, wo sich schon die gesamte Musikelite, Mark Twain, Luciano Pavarotti und Jonny Cash aufgehalten haben! Und natürlich wollen wir uns mit einem Autogramm an der Wand verewigen. Schweren Herzens aber müssen wir absagen, die verbleibende Zeit bis zur Abfahrt nach Hause könnte zu knapp werden.
Ines wirft spontan das Esterhazystüberl in der Nähe vom Kohlmarkt in den Ring. Das Lokal liegt nur unweit der U-Bahn zum Wiener Hauptbahnhof. Das nehmen wir. 🙂
Ohjeh, Ines trinkt Sturm – so wird der Federweiße hier genannt. Das kann ja heiter werden in unserer schmalen Liegewagenkabine!! Die Wiener Schnitzel sind sehr lecker und Birgits Augen leuchten.
Plastiklandschaft Meereswelt
Wir verbringen die verbleibende Zeit noch im Wiener Volksgarten an der Ringstraße. Im weiß strahlenden Theseustempel (1819) bestaunen wir die spektakuläre Plastiklandschaft „Bottled Ocean“ des Neuseeländer Künstlers George Nuku. Dabei handelt es sich um eine Fantasiewelt in Meeresfarben aus hunderten von unterschiedlichen Plastikflaschen. Der Erschaffer will uns zeigen, wie die Meere in 100 Jahren aussehen könnten. Hintergrund sind die von Menschen im Übermaß eingesetzten Kunststoffe.
So ganz können wir immer noch nicht loslassen von Wien. Nach dem schmackhaften Essen und auf dem Weg zum Bahnhof kommen wir noch am Pegasuspferd in der Hofreitschule vorbei und nehmen endgültig Abschied von der Donaumetropole auf der quirligen Kärntner Straße.
Nächtlicher Schock – Seit wann heißt Mainz jetzt Nürnberg?
Der Nightjet kommt fast pünktlich. Wir beziehen etwas geordneter unser Abteil und quatschen noch zwei Stunden. Dann geht’s ab in die Heia, schließlich müssen Birgit und ich um halbvier aus den Federn.
Wir stehen pünktlich auf. Auf dem Gang erwartet mich unser aufgeregter Kabinennachbar und berichtet von einer zweieinhalbstündigen Verspätung. ‚Wie bitte‘ frage ich ihn ungläubig? Tatsächlich, ein Blick aus dem Fenster und ich lese Nürnberg statt Mainz! Das kann jetzt nicht wahr sein. Unsere etwas überforderte Zugbegleiterin teilt uns mit, dass der Triebkopf des Zuges defekt ist und wir deshalb sehr viel langsamer fahren mussten. Er wird in diesem Augenblick im Bahnhof Nürnberg ausgewechselt. 🙁 🙁 🙁 Sprachlos und aufgeregt berechnen Birgit und ich unsere neue Ankunftszeit in Mainz. Dann legen wie uns erneut schlafen. Und um halbsieben stehen wir endlich in Mainz auf dem Bahnhof. Kurze Zeit später werden wir abgeholt und um halbneun bin ich endlich zu Hause.
Fazit: Tolle drei Tage, viel gesehen, eine der liebenswertesten Städte überhaupt und wir wollen nochmal hin!!