Sonntag 9.8.2020
Heute geht es wieder nach Hause. Denn meine Blumen- und Tomatenwelt auf meinem „Costa Corona Balkon“ lassen eine Verlängerung nicht zu. Ich frühstücke gemütlich und lege ein letztes Ziel für den Heimweg fest: die Geierlay-Hängebrücke im Hunsrück, knappe 40 km von Boppard entfernt.
Nachdem Fiete und ich reisefertig sind, checke ich Punkt 12 Uhr aus. Natürlich ist wieder Warten angesagt. Corona lässt grüßen! Dann geht es über die Cäcilienhöhe und die Hunsrück-Höhenstraße direkt zur Hängeseilbrücke. Bis dorthin aber ist es eine ziemlich kurvige, teils schmale Angelegenheit. Gegen 13 Uhr erreiche ich einen der Parkplätze. Es ist natürlich der, der am weitesten von der Brücke entfernt ist. Es ist heiß ohne Ende, nicht immer sonnig, und trotzdem bestes Wetter für das bevorstehende Erlebnis.
Wegen meiner Höhenangst will ich ja sowieso bloß gucken!!
Ich will 2 € Parkgebühren löhnen, aber es fehlen schlappe 10 Cent! Die Parkautomaten akzeptieren nämlich ausschließlich Kleingeld und keine EC-Karte! Ganz großes Bezahl-Kino!!! Ich spreche einfach eine Holländerin an und frage sehr direkt, ob sie mir 10 Cent schenken würde. Ich hatte damit Erfolg und machte mich nun beruhigt auf den 2,8 Kilometer langen Fußweg durch vor allem landwirtschaftliche Nutzfläche zur Brücke.
Der Weg führt durch Mörsdorf, dass nur 15 Kilometer von Cochem an der Mosel auf einem Hochplateau im vorderen Hunsrück liegt. Ich habe das Gefühl, dass dieses Örtchen zwar nicht am Arsch der Welt liegt, aber ich kann ihn von hier schon sehen!
Da die Brücke zum Touristenmagnet mit bisher 1 Million Besucher (seit Oktober 2015!) geworden ist, ist etwas Leben in die dörfliche Bude gekommen. Auf dem Weg dachte ich öfter, ich sei in Holland! Denn die meisten meiner Mitläufer kommen aus dem Käseland. Aber ich will nicht mobbern, schließlich verschenken sie manchmal auch 10 Cent-Münzen!!
Die Hunsrücker Geierlay-Hängebrücke ist eine Stahl-Holz-Konstruktion und nach nur 6 Monaten Bauzeit im Oktober 2015 eröffnet worden. Die Tragseile sind 4cm stark, und damit trägt sie bis zu 600 Personen mit einem durchschnittlichen Gewicht von 80 Kilo. Die Verankerungen sind bis zu 25 Meter tief in den Felsen gebohrt und hält Windgeschwindigkeitten bis 200 kmh aus. Sie ist kostenlos und immer geöffnet.
Und dann ist es soweit….ich habe Glück ohne Wartezeit an bzw. auf die Hängeseilbrücke zu kommen. „Laufen sie schnell, sonst müssen sie mindestens eine Stunde warten“ höre ich noch und bin in Null-Komma-Nix plötzlich auf der Brücke! Was für ein Wahnsinn. Was geht jetzt hier ab?!! Ich denke an Maffay! Abgewandelt lautet der Song ‚Über diese Brücke musst du geh’n‘ und ich mache es.
Vor mir liegen 360 Meter, die ich auf stabiler bester heimischer Douglasie zurücklege. Damit ist die Brücke begelegt. Gott sei Dank kann ich nicht durchsehen. Ich glaube, dann hätte ich es nicht geschafft. Noch ist alles gut. Ich kann sogar stehen bleiben und fotografieren. Das Herz schlägt schneller, der Adrenalin-Kick wirkt und ich bin überwältigt. Was für eine Mutprobe. Nur nicht nachdenken, konzentriert auf’s Ziel gucken und Step by Step weiterlaufen.
Deutschlands schönste Hängeseilbrücke für Fußgänger schwingt sich über das Mörsdorfer Bachtal. Ich bin jetzt in der Mitte angelangt und schwebe tatsächlich 100 Meter über dem Tal. Und nicht nur das, es schwingt auch ein bisschen hin und her. Unter mir führt der Saar-Hunsrück-Steig vorbei und die Wanderer sind so klein wie Playmobilfiguren. Ich bin so wahnsinnig stolz, dass ich dies trotz Höhenangst erlebe. Es ist einfach nur atemberaubend.
Drüben warteten mindestens 200 Leute in der Knallsonne auf den Rückweg. Ich mache noch einige Fotos und stelle mich gleich eine geschlagene Stunde an. Jetzt verstehe ich die Stunde Wartezeit. Es werden immer nur 20 Menschen auf die Brücke gelassen. Dann folgen die nächsten und die nächsten. Ich habe wieder Glück und kann den Rückweg noch antreten. Dabei überhole ich zwei Angsthasen und komme unbeschadet und glücklich wieder auf der Mörsdorfer Seite an. Hier trifft mich der Schlag. Hunderte warten auf den Zutritt zur Brücke!
Auf dem Rückweg fallen mir die zahlreichen Windräder bewusst ins Auge, von denen es in dieser Gegend mehr als 150 gibt. Das schwülheiße Wetter sorgt jetzt für Gewitterwolken und es donnert in der Entfernung. Der Weg fällt schwer, an einer Bude kaufe ich eiskaltes Wasser und erreiche Fiete – stolz, aber ziemlich kaputt.
Ich starte um 16 Uhr gen Frankfurt und parke Fiete gegen 18:30 Uhr in Frankfurt auf seinem Stammplatz ein. Jetzt heißt es nur noch chillen und dabei die wunderbaren fünf Tage am Mittelrhein im Geiste nachzuerleben.