19. September 2024
Es ist soweit: Unsere jährliche „Mädelstour“ beginnt.
Diesmal geht es in die UNESCO-Welthauptstadt Barcelona!
Eine Schocknachricht und Schinkenbeine ohne Ende
Wir starten pünktlich zum Flughafen. Unser terminiertes Check-in an der Sicherheitskontrolle funktioniert. Wir werden gefilzt wie Schwerverbrecher. Gürtel aus, Hose von innen abgetastet, Uhr aus, Flüssigkeiten aus dem Koffer nehmen etc. Das volle Programm. Wir sind durch.
Gate gesucht, Käffchen geholt und Platz genommen. Von uns aus kann‘s losgehen.
Da meldet sich mein Handy mit einer Schock-Nachricht. 😲Ines hat Corona und kann zum ersten Mal nicht mitfliegen. ✈️ Wir sind sprachlos und traurig, gucken nach dem ersten Schock aber schnell nach vorn. Barcelona wartet, egal wie viele!
Ab in den Flieger und zehn Minuten später sind wir in der Luft. Der Landeanflug auf das sonnige Barcelona ist großartig. Haben tolle Blicke auf die moderne Planstadt Eixample. Wenig später erleben wir eine ruckelige, aber sichere Landung: „Buen Dia, Barcelona“! Unschwer an den zahlreichen Serrano-Schinkenbeinen vom Hausschwein im Terminal zu erkennen. 🐖
Schnelle Fahrt mit den Öffis und ein gewöhnungsbedürftiges Wohnhaus
Zuerst suchen wir den Ticketautomaten, um unser HOLA Barcelona Öffi-Ticket auszudrucken. Wenig später warten wir auf die Metro L9. Einmal Umsteigen und wir erreichen unsere Homebase-Station Drassanes im historischen Stadtteil Barri Gòtic. Zehn Fußminuten später stehen wir zur Schlüsselübergabe vor unserem Appartement-Haus in der „Carrer d’Obradors 9“. Mein erster Eindruck: sehr verhalten. Das Wohnhaus sieht – gelinde gesagt – marode aus. Ich bemerke verramschte Balkone, herunterhängende, teils kaputte Rollläden und Müllsäcke auf der gefühlt nur zwei Meter breiten Straße.
Die Lage im alten Zentrum allerdings ist perfekt.
Kurz nach elf beziehen wir unser Appartement im vierten Stock. Der Aufzug 🛗- nichts für meine Klaustrophobie – ist nur knappe 1 1/2 qm groß. Irgendwie halte ich Luft, Herz und Verstand in Schach, atme kaum. Das Treppenhaus ist nicht viel besser. Die FeWo aber ist prima.
Wir sind zufrieden, richten uns geschwind ein und ziehen los.
Straßenlaternen mit Helm und der historische Placa Reial
Schon nach den ersten Schritten ist klar – die 1,6 Millionen-Einwohnermetropole ist eine totale Touristadt! 2024 überrannten 16 Millionen Besucher die Hauptstadt Katalaniens. Krass! Der Verkehr ist chaotisch. Die Autofahrer 🚗🚕🚘 Barcelonas zählen zu den Schlechtesten der Welt. Sie verursachen statistisch – ohne Scheiß – alle 19 Sekunden einen Unfall!!! Unglaublich! Und am Wochenende kann sich diese Zahl auf bis zu 10 erhöhen. Laufen und die Öffis sind unbedingt lebensverlängernt!!!
Kurz nach dem Opernhaus „Grand Teatre del Liceu“ erreichen wir den historischen „Placa Reial“. Er liegt unweit der berühmten FlaniermeilePromenade von La Rambla (DER Tourimeile schlechthin!), ist angenehm ruhig und erinnert an eine italienische Piazza. Rundherum stehen klassizistische Paläste mit langen Arkadengängen. Wir entdecken die beiden behelmten Straßenlaternen🪖, die der weltberühmte katalanische Architekt Antoni Gaudí entworfen hat. Bis zur Jahrhundertwende war die Plaça mit ihren schlanken Palmen 🌴🌴🌴, dem Drei-Grazien-Brunnen⛲ – wegen der diesjährigen Wasserknappheit liegt er im „Trockenen“ – ein Flaniercorso der katalanischen Bourgeoisie. Wir versetzen uns spontan in die „herrschende Klasse“ und fühlen uns sehr wohl hier! Leider versperren uns große Musikbühnen die Sicht auf weitere wesentliche Dinge, weil dieses Wochenende das Fest der Feste stattfindet, die „Fiesta Major“.
Eine Seufzerbrücke, eine wuchtige Basilika und 13 badende Gänse
Wir lassen uns treiben und schlendern durch die verwinkelten Gassen der Altstadt. Hier treffen wir auf die Kirche „De Sant Jaume“ im jüdischen Viertel. Die frühere Synagoge 🕍 besticht durch üppige Altäre und gemütliche Hinterhöfe.
Wir entdecken die ersten Streetart-Zeichnungen und erreichen die „Seufzerbrücke“, die zum historischen „Palau de la Generalitat“ führt. Warum eigentlich Seufzerbrücke?? Man stellte sich damals vor, dass die Gefangenen auf ihrem Weg in die Zellen ein letztes Mal in die Freiheit blicken konnten.
Und nur eine Ecke weiter stoßen wir auf die Kathedrale „La Seu“, nach der Sagrada Familia die wichtigste Kirche der Stadt.⛪
Wow! Was für ein wuchtiges Kirchengebäude mit prächtigen Fassaden und detaillierte Skulpturen, die verschiedene Tiere und Fabelwesen darstellen. Die Außenmaße des Doms sind 93 Meter X 40 Meter, die Höhe des Hauptschiffs unglaubliche 28 Meter. Die Möglichkeiten, den Kirchen-Koloss auf ein Foto zu zaubern, sind sehr begrenzt. Wir holen uns Eintritt-Ticktes zum Besuch der Kathedrale. Das Chorgestühl ist gigantisch. Und wir haben Glück: die spärliche Sonne zaubert durch die Kirchenfenster herrlich buntes Licht. 🏳️🌈
In der Mitte der Basilika existiert ein gotischer Kreuzgang aus dem 14. Jhd. Einzigartig sind die 13 weißen Gänse, 🪿🪿🪿 die hier im Brunnen Font de les Oques großen Spaß haben. Jede stellt ein Jahr im Leben der Märtyrerin und heutigen Schutzpatronin der Stadt, Santa Eulalia, dar. Das junge Mädchen wurde aufgrund Ihrer Religion von den Römern zu Tode gefoltert. In der Krypta der Basilika ist ihr Sarkophag aufgebahrt.
Ein sarkastischer Briefkasten, eine Aussichtsterrasse und die Römische Stadtmauer
Und weiter geht’s auf unserem Schnupperkurs durch die Metropole. Unfassbar, was es hier auf engstem Raum zu entdecken gibt. Kurz hinter der Kathedrale liegt das „Museum Frederic Marès“, ehemalige Residenz der Könige und Grafen. Hier gibt es einen wunderschönen Innenhof und bunte, gekachelte Wände, die Birgit in ein besonderes Feeling versetzt.
Auf unserem weiteren Weg entdeckt Birgit am „Casa de l’Ardiaca“ einen ungewöhnlichen Briefkasten📮aus Marmor in der Hauswand. Verziert ist er mit einer Schildkröte, 🐢fünf Schwalben 🐦 und sieben Blättern 🍃– alles Symbole der Gerechtigkeit. Das Haus war in der Vergangenheit offizielle Residenz der kirchlichen Hierarchie, politisches Epizentrum und Anwaltskammer. Der Künstler meinte sarkastisch zu seinem Werk: „Die Mühlen der Justiz mahlen zu langsam.“
Durch den gotischen Stadtpalast gelangen wir auf eine kleine Terrasse mit Aussicht auf die „Capella de Santa Leucia“, die sich unmittelbar an der Seite der Kathedrale befindet. Ihre beiden freihängenden Glocken 🔔🔔unterstreichen die Schlichtheit der Kapelle. Wir teilen uns den Platz mit zahlreichen anderen Touris.
Und weiter geht’s. Wir erreichen die „Placa Ramon Berenguer III“. Der Platz ist gesäumt von wunderschönen Gebäuden und einem Teil der alten römischen Stadtmauer. 🧱 Wir machen einen T-Shirt-Laden ausfindig und entdecken ein passendes „Sagrada T-Shirt“ für den morgigen Besuch der weltweit einmaligen Kirche Gaudis.
Eine bunte Markthalle, eine archäologische Fundstätte und der Geruch des Mittelmeers
Zu fortgeschrittener Stunde und mit hungrigem Magen erreichen wir den Stadtteil „El Born“ und die Markthalle Santa Caterinas, bekannt für ihre beeindruckende Architektur. Das wellenförmige Dach besteht aus 325.000 keramischen Teilchen in mehr als 60 Farbtönen. Sie symbolisieren die Farben der Früchte 🥭 und des Gemüses.🥕 Leider kann man das komplette Dach nur aus der Luft ansehen, eine Aussichtsstelle am Boden gibt es nicht. Ganz großes Kino!
Wir kaufen Leckereien für’s Frühstück, die Fressstände haben jedoch schon geschlossen. Aber wir entdecken ganz in der Nähe das kleine Lokal „Bar Potitos“. Während der Bestellung kommen wir ins Gespräch mit einer älteren Dame. Ihre Essens-Empfehlung ist Gold wert. Wir genießen die authentische katalanische Küche. 🥘
Gestärkt machen wir uns auf zum „Ground Zero“ der Katalanen, dem „El Born“ (archäologische Fundstätte und Kultur- und Gedächtniszentrum), einer ehemaligen eisernen Markthalle im Stadtteil La Ribera. Hier fand man Reste einer zerstörten Stadt aus der Zeit vor dem 11. September 1714, dem Tag, an dem die Katalanen die Schlacht um Barcelona verloren haben. Die ehemalige Markthalle ist ein Juwel der Eisenarchitektur.
Jetzt macht sich Müdigkeit 🥱bemerkbar. Kein Wunder, sind wir doch seit 5 Uhr auf den Beinen. Der Rückweg führt uns Richtung Mittelmeer zum Passeig de Colom, einer breiten, von Palmen gesäumten Uferpromenade im Stadtteil Ciutat Vella. Und da steht sie, die 15 Meter hohe Skulptur La Cara de Barcelona („Das Gesicht von Barcelona“), ein weiteres Wahrzeichen der Stadt. Und das ist nicht die Einzige hier. Wenig später kommen wir zur „Hummerskulptur“, der „lächelnden Gamba“ El Grambinus. Im Übrigen ist sie eine Languste 🦞. Aber wen interessiert das schon.
Zum Schluss noch ein nächtlicher Ausflug
Zu Hause probieren wir einige unserer Leckereien und plötzlich kommt Birgit auf die wahnsinnige Idee, den Palau de la Musica Catalana „by night“ 🎼🎵🎻anzusehen! Sie ist vom Barcelona-Virus völlig infiziert. Müdigkeit ist für den Virus ein Fremdwort! Ich raffe mich also nochmal auf und das hat sich sowas von gelohnt!
Wir kommen vorbei an der „Skulptur Barcino“ auf der Placa Nove. Der Schriftzug heißt Barcino, so wie das alte Barcelona früher. Na, da muss ich doch mal Platz nehmen, meint Birgit, und schon sitzt sie auf dem großen „C“!
Das Konzerthaus Palau de la Musica Catalana ist nicht zu übersehen. Wow, wow, wow, was für eine mystische Augenweide!!! Seit 1997 UNESCO Welterbe ist es schon bei Tageslicht ein sensationeller, märchenhafter Musikpalast. Der Konzertsaal fasst 2.200 Zuschauer und zählt weltweit zu den Schönsten. Diese Eindrücke halten wir zigfach fest. Was für eine coole Idee von Birgit!
Auf dem Rückweg kommen wir noch an einem schmalen Eckhaus vorbei, dem Casa Caelum. In diesem Café kann man tagsüber Produkte aus Klöstern ganz Europas essen und kaufen. Völlig ermattet und voller bunter Eindrücke fallen wir in die Betten. Es hat ein wenig gedauert, aber jetzt bin auch im Barcelona-Fieber! Gut’s Nächtle.