Dienstag, 12. Oktober 2021
Ich starte gegen halbelf zu meinem ersten langen Entdeckertag in Hamburg.
Meine Freude ist groß und ich steige beschwingt in den Bus an meiner „Haus-Haltestelle“ bei Ikea. Ich wundere mich kurz über den offenen Bücherschrank im Bus, konzentriere mich dann aber auf meinen Reiseführer und bemerke erst später, dass es offensichtlich das falsche Gefährt ist. Instinktiv steige ich an einer Knotenpunkt-Haltestelle aus, an der ich mit dem 21er Bus bis zur U2 nach Niendorf-Nord zurückfahre. ‚Wäre, wäre Fahrradkette‘! Wäre ich nicht so schusselig gewesen wäre ich eine 3/4 Stunde eher in der City gewesen!! Hammerärgerlich!
Die U3 bringt mich zu den St. Pauli Landungsbrücken mit dem charakteristischen Uhrturm, der seit 1910 dort über die zehn Brücken wacht. Die Landungsbrücken sind Hamburgs Wasserbahnhof und eine schwimmende 700 Meter lange Anlegestelle im Hafen. Hammer! Ich steige aus und bekomme sofort Fernweh. Ich halte für einen Moment den Atem an und genieße Wind, Wasser und Weite des Hafens. Ein paar Sekunden bleibt die Zeit stehen! Es riecht nach Freiheit, fernen Ländern und maritimem Flair. Hier macht Hamburg echt sehnsüchtig.
Futuristische Baukultur, Panoramablicke auf den Hafen und Fischdelikatessen im BistrOcean
Auf der 62er Fähre Richtung Finkenwerder lasse ich mir den Elbewind um die Nase wehen, genieße den Blick auf den Fischmarkt und steige an der Haltestelle Dockland aus. Hier besteige ich das markante Bürogebäude Dockland, 29 Meter hoch mit 136 Außenstufen. Es sieht aus wie ein Schiffsbug und liegt direkt an der Elbe in der Nähe des ehemaligen England-Fähranlegers. Auf der öffentlichen Aussichtsplattform habe ich einen grandiosen Blick auf die Dreh-Krane (nein, kein Schreibfehler, nicht mit Ä sondern nur mit A!) wo die Container geladen und gelöscht werden. Ein tolles Panorama.
Jetzt kommt ein Highlight des Tages. Ich laufe schnurstracks zu den Zeilenbauten in die Große Elbestraße. Hier servieren zahlreiche Fischhändler ihre Delikatessen direkt vor Ort, das bedeutet Fisch essen direkt an der Quelle. Mein Lieblingslokal – und für meine Begriffe bestes Fischlokal Hamburgs – ist das BistrOcean. Ein echtes Insider-Lokal, ein Geheimtipp ohne Pomp mit eigener Austernzucht in Irland und mit dem Charme einer hochwertigen Fischbude. Wobei es sich eher noch um eine umdekorierte Lagerhalle handelt! Vorne wird bei einfacher Einrichtung gegessen und hinten wird der Fisch für den Transport in die weite Welt vorbereitet. Das Essen ist unschlagbar gut und hat eine sagenhafte Qualität. Leider hat auch hier das Flair durch Corona gelitten. Es ist längst nicht mehr so gemütlich wie vor der Pandemie, als man Arm neben Arm saß und jeder einmal bei dem anderen von seinem Fischteller probieren durfte.
Nach 40 Minuten Schlange stehen habe ich endlich meine große Portion Miesmuscheln vor mir. Äußerst lecker!!
Fischmarkt, Schellfischposten und Elbpromenade
Frisch gestärkt laufe ich Richtung Fischmarkt, vorbei an einem der drei Hamburger Kreuzfahrtterminals, dem Cruise Center Altona, und befinde mich kurze Zeit später vor der ältesten Seemannskneipe Hamburgs, dem „Schellfischposten“, bekannt durch die TVshow ‚Ina’s Nacht‘. Die klitzekleine Kneipe mit den Gummistiefeln für Gäste im Keller (Flut!!!) liegt gleich neben der Köhlbrandtreppe. Die imposante zum Hafen führende Treppe wurde 1887 eingeweiht und von den Hafenarbeitern auf dem Weg zur Arbeit genutzt. Von ihr hat man einen guten Blick auf den Holzhafen, das älteste Hafenbecken, das 1722 angelegt wurde.
An der Fischauktionshalle, die persönlich von Kaiser Wilhelm II 1896 eingeweiht wurde, und an der man jeden Sonntag in aller Herrgottsfrühe ein Fischmarktfrühstück mit Livemusik genießen kann, gibt es einen sehr begehrten WOMO Stellplatz mit direktem Blick auf den Hafen.
Ich laufe weiter bis zu den Landungsbrücken und straight ahead über die Niederbaumbrücke in die denkmalgeschützte Speicherstadt, die Elbphilharmonie, von den Hanseaten liebevoll ‚Elphi‘ genannt, immer im Blick. Ich komme am ebenfalls denkmalgeschützten Zombeck-Turm, einem Hochbunkertyp aus dem 2ten Weltkrieg, vorbei, der verloren zwischen Hochbahn und Elbpromenade liegt. Die Elbpromenade mit ihren weißen Treppen lädt ein, um das einzigartige Panorama des Hamburger Hafens in aller Ruhe zu genießen.
Chillen auf der Brooksbrücke, benebelnde Düfte im Spicy Museum und eine historische Polizeiwache
Es ist noch schön sonnig und meine Augen brauchen eine Sightseeingpause. An der Brooksbrücke, einer der ältesten und ersten Brücken in der Hamburger Speicherstadt, kehre ich in die Barossa Kaffeebar ein. Das Kaffee liegt direkt am Zollkanal und befindet sich in einem 1950 erbauten denkmalgeschützten Zollhaus. Gleich schräg gegenüber findet man seit 15 Jahren das Miniaturwunderland und das Hamburger Dungeon, beides Publikumsmagneten.
Im Spicy Museum am Sandtorkai, kaufe ich Gewürze und lasse mich vom Duft der Gewürze aus aller Welt auf den Schnuppertischen betören. Der Standort in einem originalen Speicherboden besitzt ein ganz eigenes Flair. Übrigens ist Hamburg der drittgrößte Gewürzumschlagplatz der Welt.
Rundumversorgung bei Karen
Mein Rückweg zur U-Bahn führt mich noch an der legendären Hafenpolizeiwache Nr. 22 vorbei, bekannt durch die Vorabend-Fernsehserie „Notruf Hafenkante“ und heute Sitz der Wasserschutzpolizei. Ich überquere die Wilhelminenbrücke und schreite über ein ‚Kunstwerk im öffentlichen Raum‘, einem steinernen Orientteppich.
Fußmüde fahre ich mit dem 6er Bus zum Bahnhof. Es beginnt leicht zu regnen. Auf der Mönckebergstraße setzt das Hulbehaus, eines der bekanntesten Kontorhäuser Hamburgs, einen tollen Akzent.
Am Rathausplatz steige ich in die U1 und fahre zu meiner EX-Kollegin nach Norderstedt. Karen holt mich ab und wir verbringen mit einem vorzüglichen Abendessen einen kurzweiligen und gesprächsreichen Abend. Das Angebot von ihr, mich mit dem Auto direkt zu Fiete zu bringen, nehme ich dankbar an.
Wow, was für ein ereignisreicher und wunderschöner Tag in meinem Hamburg.
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