Freitag, 12.Juli 2019
Guten Morgen, heute habe ich einen Plan: eine Rundtour durch den Stiefelsporn.
Das Wetter könnte besser sein, zahlreiche Schleierwolken sind am Himmel, aber es ist warm und manchmal sonnig. Ich frühstücke gemütlich auf meinem Stellplatz hoch über dem Meer. Das Strandleben schläft noch, der Wellengang hat sich gelegt. Es ist ruhig. Der Abschied fällt schwer.
Fiete II ist reisefertig – ganz schön aufwendig, wenn man alles alleine machen muss einschließlich des blöden Fahrradträgers. Ich starte gegen 10 Uhr. Was erwartet mich? Unberührte Natur, Hochplateaus, Olivenhaine, Weinberge, riesige Laubwälder, fantastische Meerblicke und tiefe Schluchten. Die Spannung wächst.
Eine kurvenreiche Straße entlang der Küste führt mich zu meinem ersten Stopp nach Pèschici.
In den Kiefernwäldern zirpen hunderttausende von Zikaden, zahllose Olivenhaine sind rechts und links der Straße und immer wieder gibt es tolle Blicke auf Buchten. Der Gargano ist Tourigebiet. Ich merke das den zahlreichen Camping/Villages, die sich unaufdringlich hinter der Natur verstecken. Ab und zu entdecke ich kleine mobile Straßenhändler mit selbst hergestellten Prodotti italiani, aber es gibt keine Parkmöglichkeit. An einem großen herrlich geschmückten Stand kaufe ich das erste Olivenöl und getrocknete Tomaten. Zufällig war eine Familie da, deren Tochter perfekt Deutsch sprach. Kurze Zeit später stehe ich auf einem nicht ganz offiziellen Parkplatz, kurz vorm centro storico in Pèschici. Fast ein Sechser im Lotto mit meinen 6 ½ Metern, aber es ist ja Siesta.
Ich schlendere durch die verwinkelten Gassen, vorbei an vielen Krims-Krams-Läden, ebenso vielen Bars und Osterien bis zum Castello. Es geht hoch und runter über lange Treppenauf- und Abgänge. Hoffentlich finde ich hier wieder heraus. Der Kurze Eindruck hinterlässt ein hübsches Städtchen, aber kein Vergleich mit Vieste.
Weiter geht es in schwüler Hitze Richtung Rodo Garganico. Auf dem Weg finde ich eine Tankstelle, bei der man einen Dr.-Titel benötigt, um an Diesel zu kommen. Solche Spirenzien brauche ich nicht. Die nächste Tanke ist mir, da kostet der Liter zwar 6 Centesime mehr, aber ich bekomme Fiete II vom Chef persönlich vollgetankt. Rodo Garganico ist ein Touristenörtchen wegen seiner langen Sandstrände, hat sich aber seinen mittelalterlichen Charme erhalten. Auch hier streife ich fast alleine durch die Gassen, sehe Orangenbäume und zahllose herumhängende Elektroleitungen. Fotografieren ist kaum möglich, denn alles ist zu eng.
Wieder unterwegs zum nächsten Ort mit einer völlig intakten Altstadt: Vico del Gargano. Mindestens die Hälfte aller Häuser sind leer, werden zum Verkauf oder zum Vermieten angeboten. Bis auf ein paar Kindergeräusche, ist es sehr still. Läden gibt es nicht. Die Altstadt wirkt gespenstisch auf mich. Ich komme noch am Castello vorbei und schlendere zurück zu Fiete II.
Jetzt geht es durch den Forest Umbra, einem 11000 ha großen Mischwaldgebiet. Ein Eldorado für Wanderer. Es gibt leider keine Haltebuchten zum Fotografieren, die Straße ist zu schmal, zu bergig und zu kurvig. Es macht Spaß hier zu fahren. Unterwegs kommt mir endlich mal ein deutsches Womo (aus Heidelberg) entgegen, natürlich an der schmalsten Stelle!
Mittlerweile hat es sich wieder zugezogen und einige Regentropfen fallen. Was in keinem Reiseführer steht, ich aber aus Erfahrung weiß, ist, dass der Gargano im Grunde genommen ein ausgedehntes Regengebiet ist. – Jetzt fahre ich aus 1000 Metern etwa auf 200 und dann wieder hoch. Ich wundere mich über fünf Reisebusse auf der Gegenseite, die sich in einer Haarnadelkurve regelrecht ineinander verkeilt haben. Und jetzt dämmert es mir, ich bin in Monte Sant‘ Angelo angekommen, Stadt und Wallfahrtsort des Erzengels Michael. Da pilgert man ganz gepflegt mit dem Reisebus an!
Och, denke ich, hier hat es ja zahlreiche Parkplätze mit defekten Parkautomaten, kannst ja mal reinschauen in den Pilgerort. Hier werde ich von zwei zahnlosen Alten erwartet, weil ich nicht bezahlt habe. Woher wissen die das? Glaube macht Kohle, aber nicht mit mir. Ich versuche zu diskutieren, verstehe aber das lallende Italienisch nicht, habe die Schnauze voll, kein Besuch der Wallfahrtskirche San Michele Arcangelo. Will jetzt zu meinem Agricampeggio in Mattinata.
Die Anfahrt auf den fast weiß strahlenden Ort ist grandios, sehr kurvenreich, steil abfallend mit Blick auf die weite Bucht der Adria. Wie erwartet lässt sich mein Übernachtungsplatz nicht finden. Eine Seniora hilft und ich komme gegen 18 Uhr endlich an. Ich bin die einzige Camperin auf den zehn hervorragend eingerichteten Stellplätzen und werde von Millionen von Zikaden freudig begrüßt.
Die Besitzerin berichtet von schlechtem Wetter im letzten und in diesem Jahr, viel Regen (ach ja ????), die Gäste bleiben aus. Ich jedenfalls bin da, nehme eine herrliche Dusche, koche mir Tagliatelle mit Pesto Genovese und Parmeggiano und genieße die Freiheit in dem großen Olivenhain. Bin hundemüde und muss früh ins Bett. Der Mond leuchtet zwischen wenigen Wolken und es ist absolute Ruhe.